In den Redaktionen Deutschlands hat man sich offenbar zum Ziel gesetzt, Camping niederzuschreiben. Das kann sehr lustig sein.
„Albtraum jedes normalen Menschen“
Camping ist beliebter denn je und so scheinen sich Redakteure in letzter Zeit zur Aufgabe gemacht zu haben, ihre Meinung zum Campen rauszuposaunen. Warum auch immer, wollen auf einmal alle ganz genau wissen, dass Camping voll was für Doofe ist.
Den Höhepunkt dieser bestimmt nur gut gemeinten Aufklärungs-Kampagne habe ich in einem Artikel auf „Welt.de“ gefunden – mit dem Titel: „Zelturlaub, so romantisch – Albtraum jedes normalen Menschen“. Und ja, es geht genauso weiter: „Wenn Gott gewollt hätte, dass der Mensch in Zelten lebt, dann hätte er ihm Heringe gegeben. Hat er aber nicht. Er gab ihm die Fähigkeit, Häuser zu bauen. Ein Haus oder eine Wohnung schützt vor Regen und Ungeziefer. Man hat ein Bett und Türen, die man hinter sich schließen kann, und man kann sich unterhalten, ohne dass alle drum herum alles mitbekommen.“
Oh mein Gott, was ist denn das? Hallo? Er (Gott) gab uns doch die Heringe!!! Die einen, um sie fangen und essen zu können. Die anderen – ja, genau – um damit Zelte zu befestigen. Um dann darin zu leben, zumindest für ein paar Tage. Weil wir es geil finden!
„Nichts ist so romantisch wie eine geschlossene Tür.“
Aber ihr werdet es nicht glauben, das wird noch besser: „Zelten ist nicht romantisch und erst recht nicht sexy. Nichts ist so romantisch wie eine geschlossene Tür.” Ja, das muss man ein paar mal lesen, damit es richtig wirkt – ich weiß. Also dann: „Nichts ist so romantisch wie eine geschlossene Tür.“ Jo, aber nicht hinter jeder geschlossenen Türe sitzt jemand, der weiß, was Romantik für den Rest der Menschheit bedeutet. Also natürlich nur, wenn man dem Camper eine eigene Meinung zugesteht. Und das macht man bei nicht ganz so normalen Menschen ja eher ungern.
„Haben Sie an ihren Camping-Urlaub keine Erwartungen“
Ja, ich habe natürlich noch mehr von dem Stoff. Auf „Abendblatt.de“ zum Beispiel macht ein Autor einen Faktencheck zu seinem Camping-Urlaub in Italien. Also Fakten, Fakten, Fakten. Alles klar? Anschnallen, es geht los: „Einer der Vorzüge eines selbstbestimmten Camping-Urlaubes in Italien ist: Man kann seine Zeit einteilen, wie es einem passt. Wenn es bloß so wäre – ein (persönlicher) Faktencheck.“ Alle seine Urlaubserwartungen werden dabei ziemlich enttäuscht. Natürlich. Am Ende heißt es dann nur: „Merke: Haben Sie an ihren Camping-Urlaub keine Erwartungen – aber erwarten Sie alles.“
Heieiei, ich denke, da hat einer wohl nicht verstanden, was das Leben eigentlich ist – in dem Fall nichts anderes als Camping. Lasst es uns gemeinsam ausprobieren: „Haben Sie an ihr Leben keine Erwartungen – aber erwarten Sie alles.“ Huch, das funktioniert ja tatsächlich. Woraus wir schließen können: Allgemeinplätze sind im allgemeinen allgemein austauschbar. Und damit nichts anderes als Camping: Mal so, mal so, für den nächsten aber auch nochmal anders. Also bitte weg mit den austauschbaren Klugscheißersprüchen, nur um einen möchtegern originellen Text zu schreiben!
„Machen Sie gerne Camping?“
Ihr habt Lust auf noch mehr Camping-Feindschaft? Kein Problem – zum Beispiel das hier von „Saarbrückerzeitung.de“: „Machen Sie gerne Camping? Das ist diese entspannende Freizeitbeschäftigung, bei der man mit Zelt, Haken und Ösen gleichzeitig hantiert, bis das Ganze Spannung und Stand hat, nur um festzustellen, dass man neben einen Ameisenhaufen gebaut hat. Und der Spirituskocher nicht funktioniert, was weniger schlimm ist, da man den Kochtopf eh vergessen hat und den Dosenöffner auch.“
Also in etwa so: He, Sie da, lesen sie auch gerne Zeitung? Das ist diese Freizeitbeschäftigung, bei der man Texte liest, bei denen man zuerst staunt, dann laut auflacht, um sich dann übelst zu übergeben. Dann liegt der ganze Mist auf dem Boden und keiner will ihn wegmachen, was aber weniger schlimm ist, weil man eh das Zimmer wechseln wollte und morgen die Putzfrau kommt. Gar nicht so schwer, lustige Texte über die Hobbys anderer zu schreiben, ne?
Der Autorin geht es übrigens um grellbunte Outdoor-Kleidung, die sie abscheulich findet. Was selbstverständlich ihr gutes Recht ist. Aber ihr Text endet tatsächlich so – kein Scherz: „Bloß aufpassen sollte man, dass das morgendliche Erwachen nicht zu Eichhörnchen-Herzinfarkten führt. Es empfehlen sich Signalfarben.“
Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilfe!
„Das Aufstehen mit steifem Rücken“
Ich weiß schon, ihr könnt auch nicht mehr, aber ich kann es euch nicht ersparen. Das hier muss noch sein – gelesen auf „Tagesspiegel.de“: „Die Idee von Camping ist natürlich hochsympathisch. (…) Wenn doch nur dieses Luftmatratzengepumpe und Insektenvertreiben nicht wäre. Das Aufstehen mit steifem Rücken, das Krauchen, das ewige Suchen, das vergebliche Festzurren und mühsame Wiederaufrichten.“
Ja, das wissen wir ja bereits: alles ganz furchtbar beim Campen. Aber dann wird der Autor fast kreativ und fährt fort: „Es müsste die Vorteile von Camping ohne die Nachteile geben.“ Echt? Müsste es das? Na gut, lassen wir ihn mal. Er versucht auf jeden Fall diese Nachteile mit einem Zeltanhänger zu überwinden. Tolle Idee. Ich will ja fair bleiben und gestehe dem Autor ein gewisses Talent im blumigen Texten zu. Los geht’s: „Muss einer nachts das Zelt verlassen, erklingt die Symphonie der Reißverschlüsse. Wir diskutieren flüsternd, was besser ist: langsam und quälend ziehen – oder schnell und dafür fortissimo?“
WOW! Auf jeden Fall stellt er außerdem fest, dass es abends im Zelt schnell kalt wird und bei Sonne tagsüber ziemlich schnell heiß. Krass. Das Ende ist unausweichlich dramatisch: „Nach einem Outdoor-Tag stopfen wir das Zelt nach den Gesetzen von Detlef Faust überraschend zügig zusammen und drücken die Luft heraus.“
Nicht mehr alle Tassen im Camper
Ja, die Luft ist jetzt auch bei mir endgültig raus. Ich kann nicht mehr. Wir wissen nun, wie unfassbar schrecklich Campen ist. Und dass wir nichts anderes als komische Masochisten sind, wenn wir sowas Grauenhaftes freiwillig machen. Aber wir sind ja auch keine normalen Menschen. Wir wissen außerdem, dass wir offenbar nicht mehr alle Tassen im Camper haben, dass wir so und nicht anders die schönsten Tage des Jahres verbringen. Also hört endlich auf mit Camping! Das tut euch nicht gut! Verstanden?